Hochwasser 2024 - Eine Chronologie zur Katastrophe

30. September 2024

 

Rund 14 Tage nach der Hochwasserkatastrophe möchte ich hier als Feuerwehrkommandant versuchen die Ereignisse chronologisch festzuhalten, und ein wenig selbst zu reflektieren.

Die Aufarbeitung der Geschehnisse wird noch viel Zeit in Anspruch nehmen. Auch die Schäden welche entstanden sind werden noch lange sichtbar sein. Ein Unwetterereignis welches wohl beispiellos ist, nicht nur in der Geschichte von Würmla.  

 

Donnerstag, 12.09.:

Die Regenprognosen für das kommende Wochenende liegen am Tisch. Allein diese einzuordnen und welche Auswirkungen sie haben werden, dazu fehlt vielen, uns eingeschlossen, noch die Phantasie...

Bei einer Besprechung mit der Gemeindeführung am Abend, wird gemeinsam mit den Gemeindefeuerwehren beschlossen, am Freitagnachmittag Sandsäcke zu füllen und für den Ernstfall vorzubereiten. Wie sinnlos diese Maßnahme werden wird, ist uns zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewusst.

 

Freitag, 13.09.:

Ab 15 Uhr werden in der Halle von Fam. Weiß in Egelsee Sandsäcke gefüllt, in diesem Umfang wahrscheinlich das erste Mal in der Geschichte der Feuerwehren in Würmla. Auch einige freiwillige Helfer schlossen sich dieser Aktion an. An einige bereits besorgte Gemeindebürgern/innen werden Sandsäcke verteilt. Am Abend gab es in Tulln eine Besprechung der Feuerwehrfunktionäre des Bezirksfeuerwehrkommandos, dort wurde der Schwerpunkt der Ereignisse noch für ein Hundertjähriges Hochwasser am Kamp gelegt.

 

Samstag und Sonntag, 14. + 15.09.: 

Der Samstag verlief trotz des bereits gefallenen Regens relativ ruhig. Die ersten Einsätze erreichen uns ab ca. 19 Uhr aus Würmla. Oberflächenwasser dringt hier in Keller und Gebäude ein und kann noch abgepumpt werden. Das hier bereits der wohl längste Einsatz in der Geschichte der FF Würmla beginnt, ahnt zu diesem Zeitpunkt noch niemand. Ab etwa Mitternacht überschlagen sich die Einsätze und Ereignisse, ein genauer chronologischer Ablauf kann hier nicht mehr wiedergegeben werden. In den Wirren dieser Nacht und des darauffolgenden Sonntages ist uns das Zeitgefühl aber auch jegliche Dokumentation abhanden gekommen.

Irgendwann nach Mitternacht müssen die Auspumpeinsätze eingestellt werden, es sind zum Einen keine Pumpen und Schläuche mehr verfügbar, zum Anderen müssen nun eingeschlossene Personen aus ihren Häusern gerettet werden. In den frühen Morgenstunden wurde Zivilschutzalarm ausgelöst, um die Bevölkerung zu warnen. Bei Tagesanbruch wird das Ausmaß der Katastrophe zum ersten Mal erahnbar. Der Moosbach trennt zu diesem Zeitpunkt bereits unser Einsatzgebiet, an ein Durchkommen in die südlichen Gemeindeteile ist zu dieser Zeit nicht zu denken. Es werden soweit möglich, eingeschlossene Personen evakuiert, der Strom ist bereits ausgefallen. Im Laufe des Tages wird versucht, sich ein Bild der Lage zu verschaffen, was hier jedoch zu sehen ist sprengte meine Vorstellungskraft bei weitem.

Am frühen Nachmittag musste dann das Feuerwehrhaus geschützt werden, da die Kanalisation mit den Wassermassen nicht fertig wurde und das Zeughaus zu fluten drohte. Dies konnte jedoch mit letzter Kraft verhindert werden.

Der Verlust des FF-Hause wäre wohl für die bereits am Boden liegende Moral der Todesstoß gewesen, dies wollte ich um jeden Preis vermeiden. Am späten Nachmittag konnte dann noch eine am Sportplatz eingeschlossene Person wohlauf gerettet werden. Diese musste über 24 Stunden in der überfluteten Kantine auf Hilfe ausharren. Die Wassermassen gingen am Abend soweit zurück, dass wir auch die abgeschnittenen Gemeindegebiete wieder erreichen konnten. Einige unserer Kameraden konnten hier das erste Mal wieder zu ihren Familien nachhause um kurz nach dem Rechten zu sehen. Gegen Mitternacht werden die Arbeiten eingestellt, nach rd. 36 Stunden im Dauereinsatz waren die Kräfte meiner Mannschaft endgültig zu Ende. Eine Nachtbereitschaft wurde im FF-Haus eingerichtet. 

 

Montag, 16.09.:  

Bereits am Vortag wurde beim Bezirksführungsstab ein Zug des Katastrophenhilfsdienstes angefordert. Dieser Zug aus dem Bezirk Amstetten traf gegen 08:00 Uhr in Würmla ein und begann sofort mit den Arbeiten. Die Gemeindeeinsatzleitung wurde am Vortag bereits im FF-Haus eingerichtet. In Absprache mit der EVN wurde am Vormittag versucht die Stromversorgung soweit möglich wieder herzustellen, was auch gelang. Somit konnten die Betroffenen auch selbständig beginnen ihre Keller und Häuser auszupumpen. Neben Würmla stellte sich Anzing als Einsatzhotspot heraus, da der Anzingbach hier mit dem Hochwasser Unmengen an Schlamm und Treibholz aus dem Haspelwald herausgeschwemmt hatte. Ein Brandeinsatz riss uns am Vormittag aus den Arbeiten, in der Bachgasse schmorrte aufgrund des überfluteten Kellers der Stromverteilerkasten. Die EVN stellte den Strom im betroffenen Bauteil ab und wir begannen mit den Auspumparbeiten. Einige Heizöltanks mussten gesichert werden, da diese aufzuschwimmen drohten, auch geflutete Pellets-Lagerräume hielten uns auf Trab und sorgten leider zum Teil für gravierende Schäden an Gebäudeinfrastrukturen. Am Veranstaltungsplatz wurde bereits ein provisorisches Mülllager eingerichtet, dies wird uns an diesem Montag noch großes Kopfzerbrechen bereitet.

Gegen Mittag wurde für den nächsten Tag ein weiterer KHD-Zug angefordert, zu diesem Zeitpunkt geht die Gemeindeführung von etwa 120 - 150 betroffenen Haushalten aus. Grundwasserschäden sind zu diesem Zeitpunkt noch nicht mitgerechnet.

Am frühen Nachmittag beginnt es nochmals zu schütten, jeder Tropfen Wasser läuft zu diesem Zeitpunkt direkt in die Bäche was zu einem abermaligen Anstieg des Moosbaches und seinen Zubringern führt. Die Lage spitzt sich nochmals dermaßen zu, dass dem KHD Zug das sofortige Abrücken angeraten wird, da die weitere Lage nicht abgeschätzt werden kann und befürchtet wird, dass dieser in Würmla eingeschlossen werden könnte. Da der Moosbach zu diesem Zeitpunkt bereits wieder über die Ufer tritt und das bereits eingerichtete Sperrmülllager am Sportplatz gefährdet, wird mit Hilfe von Landwirten der Sperrmüll auf Anhänger verladen. Wenn dieser Sperrmüll in den Moosbach gelangt wäre, wären die Verklausungen nicht absehbar gewesen. Da in den am Vortag überfluteten Bereichen in Würmla noch rege Aufräumarbeiten im Gange sind, wird nochmals Zivilschutzwarnung ausgelöst. Gott sei dank lies der Niederschlag dann endlich nach, eine Pegelspitze wie am Vortag wurde zum Glück nicht mehr erreicht.

 

Dienstag und Mittwoch, 17. + 18.09.:

Dienstagmorgen, kein Regen, ein Sonnenaufgang der mir tief in die Seele scheint und ein bisschen Hoffnung weckt!

An beiden Tagen unterstützt uns ein KHD-Zug aus dem Burgenland bei den Aufräumarbeiten. Am Dienstag ein Zug aus dem Bezirk Jennersdorf, am Mittwoch ein Zug aus dem Bezirk Oberwart. An beiden Tagen mit jeweils 15 Einsatzfahrzeugen und rd. 100 Einsatzkräften. Auch das Bundesheer ist mit einem Zug in Würmla abgestellt, diese Arbeiten vorrangig in der Miraplast, unterstützten uns ab Mittwoch aber auch in Anzing und Würmla. An beiden Tagen sind somit rd. 200 Einsatzkräfte und eine Vielzahl an freiwilligen Helfern in Würmla unterwegs. Die meisten Pumparbeiten werden im Laufe des Dienstages abgeschlossen, die vorrangigen Arbeiten sind nun aus- und aufräumen. Die Moral der Kräfte aus dem Burgenland ist immens und färbt auch auf unsere Kräfte und die Bevölkerung ab, es entsteht wieder ein bisschen Hoffnung, dass diese Krise zu bewältigen sein wird.    

Leider wird am Dienstag morgen eine Befürchtung  Gewissheit, eine Personen welche mehrmalig und unter Einsatz unseres Lebens aufgefordert wurde das Haus zu verlassen, sich jedoch weigerte, konnte nur noch Tod in ihrem Haus aufgefunden werden. Der Medienrummel aufgrund dieses Vorfalls erschwerte die Arbeiten an diesem Tag immens. Dennoch können Erfolge verzeichnet werden, wie am wachsenden Sperrmüllberg am Veranstaltungsplatz unschwer zu erkennen ist. Ab Mittwoch fahren je ein Wechselladefahrzeug der Feuerwehr und ein privates Transportunternehmen den Müll in ein Zwischenlager nach Einsiedel. Mit dieser Maßnahme kann bis Samstag Mittag der Platz soweit geräumt werden, damit dort mit den Reinigungsarbeiten begonnen werden kann und am späten Nachmittag ein geordneter Müllsammelplatz eingerichtet wird. 

Da am Mittwoch im Laufe des Tages die Anfragen zur Hilfe ein Ausmaß annehmen, welches nicht mit unserem Verständnis an Katastrophenhilfe im Einklang standen, (Anm.: wir stemmen keine Fliesen von Wänden und sortieren auch keine Aktenordner nach Jahreszahlen...) beschlossen wir für Donnerstag die Einsatzleitung auf die Gemeinde zu verlegen und dort Anfragen zu filtern.

 

Donnerstag, 18.09.:

Einige Mitglieder müssen wieder arbeiten, einige haben zuhause noch alle Hände voll zu tun, da sie selbst vom Unwetter betroffen waren. Deshalb ist am Vormittag nur eine kleine Einheit in Bereitschaft um Notfälle abarbeiten zu können. Die gröbsten Schäden konnten an den Tagen zuvor bereits bewältigt werden. Am Gemeindeamt können die Anfragen, welche noch anfallen wie geplant vorgefiltert und für Nachmittag bzw. Freitag eingetaktet werden. Auch die Nachtbereitschaft wird im FF-Haus nicht mehr aufrecht erhalten. Es ist auch an der Zeit im Zeughaus eine erste Inventur zu halten, es fehlt noch einiges an Material...

Dieses konnte in den darauffolgenden Tagen zum größten Teil wieder gefunden werden. Ein Wechselladefahrzeug aus Perchtholdsdorf unterstützt die Gemeinde bei der Müllverbringung.

 

Freitag, 19.09.:

Mit Unterstützung der FF Trasdorf werden im Laufe des Tages die letzten Einsatzstellen abgearbeitet, am Nachmittag werden die ersten Reinigungsarbeiten im FF Haus durchgeführt. Ein Wechselladefahrzeug aus Klosterneuburg unterstützt uns nochmals bei der Müllverbringung. Festzuhalten ist hier auch, dass nach einer Woche harten Katastropheneinsatz auch ein bisschen die Luft draußen ist, ein paar Stunden ohne Einsatzbekleidung täten langsam aber sicher gut!

 

Samstag, 20.09.:

Ab Mittag wird der Veranstaltungsplatz gemeinsam mit der FF Saladorf gereinigt, dies nimmt auch den gesamten Nachmittag in Anspruch. Auch die privaten Unternehmen und Landwirte welche einen großen Teil zur schnellen Bewältigung der Schäden beigetragen haben, beenden zum großen Teil ihre Tätigkeiten. Wir versuchen an diesem Abend wieder von "Katastrophen-" auf "Normalmodus" zu gehen. In den kommenden Tagen stehen jedoch noch umfangreiche Reinigungs- und Reparaturarbeiten im Zeughaus und an den Fahrzeugen an.

 

Bei allen Beteiligten mit denen ich in diesen Tagen zusammenarbeiten durfte, wie Gemeinde, den KHD-Zügen, dem Bezirksführungsstab, dem Bundesheer, den vielen Freiwilligen Helfern, Landwirten und Unternehmen welche mit angepackt haben, ein herzliches Dankeschön! Ohne euer Zutun wäre die Lage in Würmla wohl nicht so schnell in den Griff zu bekommen gewesen.

 

Abschließend möchte ich mich nochmals bei meiner Mannschaft bedanken, ich bin wirklich STOLZ auf die Leistungen die hier erbracht wurden!!!

 

Bericht BFKDO Amstetten 

 

Bericht BFKDO Jennersdorf

 

Fotos: Die Fotos sind nicht in chronologischer Reihenfolge. Wenn jemanden sein Foto erkennt und es nicht auf der Homepage haben möchte, bitte bei uns melden. Eine genaue Zuordnung ist leider nicht mehr möglich...